Problem der Adipositas ist nicht nur die starke Gewichtszunahme, sondern sind die zum Teil dramatischen Begleiterkrankungen aller Organsysteme. Mit zunehmendem Körpergewicht steigt die Gefahr, an Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen, Fettleberentzündung, Schlafapnoesyndrom (Atmungsaussetzer beim Schlafen), Schlaganfall, Wirbelsäulen- und Gelenkschäden sowie an bösartigen Tumoren des Darmes und der Geschlechtsorgane zu erkranken. Ausgeprägte Adipositas und assoziierte Begleiterkrankungen bei einem 40-Jährigen verkürzen dessen Leben um etwa 20 Jahre.
Klassifikation der Adipositas
Körpergewicht, Körpergröße und Taillenumfang werden zur Berechnung des Grades der Adipositas und zum Abschätzen des Gesundheitsrisikos herangezogen. Dabei wird das Körpergewicht in Kilogramm durch das Quadrat der Körpergröße in Metern geteilt. Der resultierende Wert ist der so genannte Body Mass Index (BMI). Beispielrechnung: Ein Erwachsener hat ein Körpergewicht von 140 kg und eine Körpergröße von 1,60 m; 140 : 2,56 = 54,69 kg/m2. Der errechnete BMI dient dann zur Klassifikation der Adipositas.
Die zusätzliche Messung des Taillenumfanges hilft, das Risiko von Begleiterkrankungen und damit einer Verkürzung der Lebenserwartung einzuschätzen:
Taillenumfang beim Mann:
> 94 cm = erhöhtes Risiko
> 102 cm = deutlich erhöhtes Risiko
Taillenumfang bei der Frau:
> 80 cm = erhöhtes Risiko
> 88 cm = deutlich erhöhtes Risiko
Notwendige Untersuchungen
Bevor die strukturierte Behandlung der Adipositas nach dem standardisierten Programm gestartet werden kann, sollten vom Betroffenen Daten zum Verlauf der Gewichtszunahme, zu aktuellen Beschwerden sowie zu Begleiterkrankungen erhoben werden.
Zur Vervollständigung des klinischen Bildes sind auch eine körperliche Untersuchung und die Bestimmung einer Reihe von Blutwerten notwendig. Unter Umständen müssen die Adipösen zusätzlich bei Spezialisten, wie z. B. Endokrinologen, vorgestellt werden, um hormonelle Ursachen der Gewichtszunahme auszuschließen.
Konservative Therapie
Die Therapie der krankhaften Fettsucht basiert auf drei Behandlungssäulen: Ernährungstherapie - Bewegungstherapie - Verhaltenstherapie.
Stufe I
BMI 30 - 35, 600 - 1000 kcal/tgl., Sport, Verhaltenstherapie
Stufe II
BMI 36 - 40, 600 - 1000 kcal/tgl., Sport, Verhaltenstherapie
Stufe III
BMI > 40, 600 - 1000 Kcal/tgl., Sport, Verhaltenstherapie, adipositaschirurgischer Eingriff bei erheblichen Begleiterkrankungen ab BMI von 35, ohne Begleiterkrankungen ab BMI von 40
Im Zentrum des Behandlungskomplexes stehen die Ernährungsberatung und die Ernährungsumstellung. Hier sind das Erfragen der Essgewohnheiten, der durchgeführten Diäten und ggf. Gewichtsreduktionskuren, die Anfertigung eines Ernährungsprotokolls sowie das Erfassen des aktuellen Ernährungszustandes Ausgangspunkt der einzuleitenden therapeutischen Maßnahmen.
Die danach begonnene Ernährungsumstellung zielt auf eine kalorienreduzierte, aber vollwertige Mischkost mit niedrigem glykämischen Index ab. Wichtig ist dabei das Konzentrieren auf Nahrungsmittel mit geringer Energiedichte.
Bewegungstherapie unterstützt Ernährungsumstellung
Eine Bewegungstherapie sollte die Ernährungsumstellung begleiten, um zusätzlich den Kalorienverbrauch zu erhöhen und mit dem Aufbau von Muskelmasse insbesondere die Fettverbrennung zu unterstützen. Dazu ist eine regelmäßige sportliche Betätigung, die ungefähr 50% des Leistungsvermögens erreicht und mindestens 2 Stunden pro Woche umfasst, notwendig. Eine Mitgliedschaft in einem Sportverein oder in einem Fitnessstudio ist dabei sicherlich hilfreich. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen, auf der Basis von Selbstbeobachtung des Ess- und Trinkverhaltens sowie des Führens eines Ernährungstagebuches, dienen außerdem dem Erreichen eines kontrollierten Essverhaltens.
Entscheidend bei der konservativen Therapie ist die gleichzeitige Durchführung der Einzelelemente: Ernährungsumstellung, Bewegung und Verhaltenstraining. Das erfordert ein strukturiertes Vorgehen, wie es nur eine ernährungstherapeutische Ambulanz unter Anleitung eines Ernährungswissenschaftlers (Ökotrophologe) oder eines Ernährungsmediziners garantieren kann.
Operative Therapie
Bei schon lang bestehender Adipositas und Ausschöpfung der bereits oben genannten konservativen Behandlungsmethoden ist ab einem BMI von 35 kg/m2 und erheblichen Begleiterkrankungen, wie z.B. schwer einstellbarem Bluthochdruck, insulinpflichtigem Diabetes oder erheblichen Veränderungen des Bewegungsapparates (Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenke), eine operative Behandlung der krankhaften Fettsucht angezeigt. Gleiches gilt generell ab einem BMI von 40 kg/m2.
Adipositas-Operationen können nicht durchgeführt werden, wenn das krankhafte Übergewicht durch eine Unterfunktion der Schilddrüse, durch eine hormonelle Erkrankung der Nebenniere oder durch hormonproduzierende Tumoren verursacht wird. Auch schwerste Störungen der Herz-, Lungen-, Nieren- und der Leberfunktion sowie Alkohol- und Drogenabhängigkeit schließen einen operativen Eingriff aus. Deshalb ist vor jeder adipositaschirurgischen Maßnahme die Vorstellung des Betroffenen bei einem Endokrinologen, Psychologen und Adipositas-Chirurgen notwendig.
Ziel aller Adipositas-Operationen ist die Reduktion der Nahrungszufuhr. Deshalb ist es notwendig, das Verdauungssystem so umzuformen, dass der Operierte schon nach der Aufnahme geringer Nahrungsmengen ein Sättigungsgefühl und in den Phasen zwischen den Mahlzeiten nur ein geringes Hungergefühl verspürt. Daraus resultierend unterscheidet man zwischen Operationen, die den Magen verkleinern (restriktive Verfahren), und Operationen, die die Darmlänge zur Aufnahme der verdauten Speisen in den Körper funktionell verkürzen (malabsorptive Verfahren).
Restriktive und malabsorptive Verfahren können auch kombiniert werden. Typische restriktive Eingriffe sind Magenband und Schlauchmagenbildung. Die weltweit am meisten praktizierte Adipositas-Operation ist der Magenbypass. Dieser Eingriff besitzt eine restriktive und eine malabsorptive Komponente. Dementsprechend wird eine sehr gute Gewichtsreduktion von 60 bis 80 Prozent des Übergewichts in ein bis zwei Jahren nach der Operation erreicht.
Außerdem kommt es zu einem deutlichen Rückgang aller adipositasassoziierten Folgeerkrankungen. Patienten, die beispielsweise an Diabetes mellitus vom Typ 2 leiden und täglich Insulin spritzen müssen, werden zu ungefähr 30 Pozent schon unmittelbar nach der Magenbypassoperation insulinfrei. Bei der so genannten oberen Variante der Magenbypassoperation sind Vitamin- und Mineralmangelerscheinungen auch nicht so ausgeprägt wie bei einer biliopankreatischen Diversion mit oder ohne eine duodenale Umstellung. Die letztgenannten Operationen kommen auch nur bei extrem Adipösen in Betracht.
Bei der Magenbypassoperation wird im ersten Schritt aus dem Magen der so genannte Magenpouch abgetrennt. Dieser Magenpouch hat nur ein sehr geringes Füllungsvermögen und sorgt deshalb für ein schnell einsetzendes Sättigungsgefühl. Im zweiten Schritt der Operation wird der Magenpouch entweder mit einer ausgeschalteten Dünndarmschlinge oder mit einer hochgezogenen Dünndarmschlinge verbunden. In jedem Fall führen diese Methoden zu einer Verkürzung des funktionellen Darmabschnittes. Bei der Magenbypassoperation werden aber weder Magenanteile noch Dünndarm entfernt.
Strukturierte Behandlung im Adipositasprogramm
Die optimale Betreuung krankhaft Übergewichtiger erfordert die Erarbeitung eines strukturierten, individuell angepassten Behandlungspfades. Unser Programm enthält alle konservativen wie operativen Maßnahmen der Adipositastherapie. Da Übergewichtige (BMI: 25 - 30 kg/m2) oder gering Adipöse (BMI: 30 - 35 kg/m2) lediglich der oben dargestellten 3-Säulen-Therapie bedürfen, konzentrieren wir uns auf Adipöse ab einem BMI von 36 kg/m2.
Beim Versagen der konservativen Maßnahmen ist ein adipositaschirurgischer Eingriff angezeigt. Dazu bedarf es vorher der Begutachtung durch einen Endokrinologen, Psychologen und Adipositas-Chirurgen. Diese Begutachtungen werden von Ärzten unseres Gesundheitszentrums durchgeführt.
Sie haben Fragen? Antworten geben wir Ihnen gern in unserer Adipositas-Sprechstunde.